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camp2023-57156-deu-Humanitaere_Prinzipien_als_Werkzeug_in_der_Not-_und_Katastrophenhilfe_opus.vtt
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Ja, hallo. Herzlich willkommen zu unserem ersten inhaltlichen Talk hier auf der
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Bits und Bäume Bühne. Ich freue mich wahnsinnig, Corinna von KADUS zu begrüßen.
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Corinna erzählt uns heute, was humanitäre Prinzipien als Werkzeug in der Not-
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und Katastrophenhilfe reißen können. Eine große Runde Applaus für Corinna und
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hab viel Spaß.
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Ja, vielen Dank für die Vorstellung und die Einladung überhaupt.
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Ja, bei mir geht es heute um humanitäre Prinzipien als Werkzeug in der Not-
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und Katastrophenhilfe. Humanitäre Prinzipien sind einerseits so eine
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Grundlage, auf der humanitäre Hilfe funktioniert. Andererseits gibt es da
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auch viele Diskussionen drum. Es ist manchmal ein bisschen kontrovers, manchmal
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ein bisschen umstritten. Und es hat also einerseits eine theoretische Diskusebene
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und andererseits einfach eine praktische Funktion für die humanitäre Hilfe.
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In meinem Vortrag heute geht es vor allen Dingen um die Praxis. Ich werde ein paar
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Beispiele aus der Praxis bringen und wie das in der humanitären Hilfe dann
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relevant wird. Ja, ich bin von KADUS, das ist eine humanitäre Hilfsorganisation,
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mit Sitz in Berlin. Wir sind gerade viel in der Ukraine tätig, in der Vergangenheit
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auch sehr viel in Nord-Aussyrien, waren auf den Fluchtrouten an Europas
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Außengrenzen schon aktiv. Wir machen vornehmlich medizinische Nothilfe, aber
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auch technischen Support. Also darum geht es dann heute. Ich werde erstmal eine
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grobe Einführung geben, was ist überhaupt humanitäre Not- und Katastrophenhilfe
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beziehungsweise Emergency Response. Auch so im deutschen Sprachkontext benutzen wir
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eigentlich ganz gerne den Emergency Response Begriff, manchmal kurz auch ER
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gesagt, also wenn ich plötzlich von ER spreche, dann wisst ihr was ich meine.
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Dann geht es weiter mit was sind die humanitären Prinzipien und die werde ich
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direkt mit zehn aus dem Feld vorstellen und einmal die humanitären Prinzipien im
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Einsatz zeigen. So, ja, was ist Emergency Response? Die Ziele der ER sind
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Unterstützung bei Krisen, Katastrophen und Konflikten, Überbrückung einer
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Versorgungslücke, bevor lokale Strukturen wieder übernehmen können oder überhaupt
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erst übernehmen können. Es geht also letztendlich immer auch darum, sich selbst
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überflüssig zu machen. Die Ziele sind einerseits Rettung von Leben und Lindern
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von Leiden, andererseits aber auch Prävention. Humanitäre Hilfe ist auch
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immer vorausschauend und versucht also zu verhindern, dass Leid zukünftig entsteht.
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Das ist ein relativ komplexes Arbeitsfeld, da gibt es ganz viele Herausforderungen.
00:03:22.000 --> 00:03:26.000
Ich habe mir da jetzt mal so ein paar der wichtigsten rausgepickt, gibt natürlich
00:03:26.000 --> 00:03:31.000
noch einige mehr. Zunächst mal ist zu sagen, gerade wenn es um humanitäre
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Prinzipien geht, da spielt diese Frage der Neutralität eine große Rolle.
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Gleichzeitig ist das Arbeitsumfeld alles andere als neutral. Humanitäre Hilfe findet
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in komplexen politischen Kontexten statt, eigentlich fast immer. Das ist klar, wenn
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es um Kriege und Krisen geht. Das ist aber auch so bei Naturkatastrophen, denn häufig,
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wenn Hilfe anläuft nach einer Naturkatastrophe, heißt das nicht, dass alle gleichmäßig
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versorgt werden. Bevölkerungsgruppen, die eventuell vor schon marginalisiert waren,
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die bekommen dann auch weniger oder gar keine Hilfe. Da gab es erst im Februar das
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Beispiel mit dem Erbbeben in Syrien, wo der syrische Machthaber Assad darauf
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erhob, dass alle humanitären Hilfsgüter durch Damaskus durchgehen und nicht durch
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die Außengrenzen, sodass er Kontrolle darüber hat. Er konnte letztendlich dadurch
00:04:25.000 --> 00:04:32.000
auch seine Machtposition stärken und behaupten, dass er Hilfe gebracht und verteilt hat,
00:04:32.000 --> 00:04:38.000
einfach weil er die Kontrolle darüber hatte. Gleichzeitig gab es marginalisierte
00:04:38.000 --> 00:04:43.000
Bevölkerungsgruppen, die von dieser Hilfe kaum etwas gesehen haben. Wir haben da dann
00:04:43.000 --> 00:04:48.000
versucht, den Kurdischen Roten Halbmond zu unterstützen, der sich vor Ort um diese
00:04:48.000 --> 00:04:53.000
marginalisierten Gebiete und Bevölkerungsgruppen versucht hat, zu kümmern gegen
00:04:53.000 --> 00:05:03.000
großen Widerstand. Jedes Mal hochkomplexer politischer Kontext von humanitärer Hilfe.
00:05:03.000 --> 00:05:09.000
Es ist häufig ein unsicheres Arbeitsumfeld in den Einsatzgebieten, wenn man als
00:05:09.000 --> 00:05:14.000
Organisation dort Menschen hinschickt, die unterstützen wollen, dann ist das auch für
00:05:14.000 --> 00:05:21.000
die Organisation immer eine große Verantwortung. Da kann viel schiefgehen und auch dafür sind
00:05:21.000 --> 00:05:29.000
so Prinzipien wichtig, dass man sich da an gewisse Prozesse hält. Ein Beispiel aus der
00:05:29.000 --> 00:05:40.000
letzten Woche ist, dass Helfende in der Ukraine, in Prokofsk, angegriffen wurden. Da gab es
00:05:40.000 --> 00:05:46.000
einen Angriff auf ein Wohnhaus und ein Hotel und 40 Minuten später hat Russland dann
00:05:46.000 --> 00:05:52.000
nochmal draufgeschossen, als schon viele Helfende vor Ort waren, die dann auch schwer
00:05:52.000 --> 00:06:00.000
verletzt wurden. Also humanitäre Hilfe ist teilweise recht gefährliches Einsatzgebiet.
00:06:00.000 --> 00:06:06.000
Eine weitere Herausforderung ist, dass der Zugang zu den Betroffenen oft erst verhandelt
00:06:06.000 --> 00:06:10.000
werden muss. Der ist nicht einfach gegeben, nur weil man eine humanitäre Hilfsorganisation
00:06:10.000 --> 00:06:18.000
ist, heißt das nicht, dass man dann automatisch zu Notlagen kommen kann. Da muss man gar nicht
00:06:18.000 --> 00:06:24.000
so weit gucken wie Nord-Ost-Südien oder andere Orte. Das war schon ein Thema für
00:06:24.000 --> 00:06:30.000
KADUS, als wir versucht haben auf Lesbos die Menschen auf der Flucht zu unterstützen. Da
00:06:30.000 --> 00:06:36.000
haben wir sehr oft Hilfe angeboten. Wir wurden nicht reingelassen von griechischen Staats
00:06:36.000 --> 00:06:45.000
zuerst. Da hat die WHO dann sehr stark verhandelt und Druck gemacht, dass wir da in den Einsatz
00:06:45.000 --> 00:06:50.000
gehen konnten. Wobei auch das ein schwieriges Thema ist, da gehe ich später nochmal drauf
00:06:50.000 --> 00:06:58.000
ein. Eine weitere Herausforderung sind ungleiche Privilegien zwischen Helfenden und Betroffenen.
00:06:58.000 --> 00:07:05.000
Natürlich möchten wir gerne immer auf Augenhöhe arbeiten und Krisen und Problemen zusammen
00:07:05.000 --> 00:07:11.000
angehen mit den Betroffenen. Aber das lässt sich nicht wegdiskutieren, dass es immer ein
00:07:11.000 --> 00:07:17.000
Machtgefälle gibt. Wir sind diejenigen, die reinkommen in ein Einsatzgebiet. Wir bringen
00:07:17.000 --> 00:07:23.000
Material mit, wir bieten Services an, die die Menschen vor Ort dringend brauchen. Wir bestimmen
00:07:23.000 --> 00:07:28.000
aber auch, wie das verteilt wird. Das ist immer eine Machtposition und das muss man immer
00:07:28.000 --> 00:07:34.000
auf dem Schirm haben und reflektieren. Gleichzeitig, wenn es richtig krass wird, sind wir auch
00:07:34.000 --> 00:07:38.000
diejenigen, die wieder nach Hause gehen können. Wir können dann einfach einpacken und nach
00:07:38.000 --> 00:07:46.000
Hause fliegen. Die Menschen vor Ort können das nicht. Das mussten wir feststellen. Das
00:07:46.000 --> 00:07:52.000
war letztendlich auch für Carlos als Organisation ein ziemlich heftiger Moment, als die Türkei
00:07:52.000 --> 00:08:01.000
2019 im Norden Nordostsyriens angegriffen hat. Die Situation wurde einfach zu gefährlich
00:08:01.000 --> 00:08:10.000
und wir mussten unsere Mitarbeiterinnen vor Ort aus Sicherheitsgründen rausziehen. Unsere
00:08:10.000 --> 00:08:16.000
Mitarbeiterinnen vor Ort, die dort ansässig sind, konnten das Land nicht verlassen. Die
00:08:16.000 --> 00:08:22.000
mussten da bleiben und haben dann mit weniger Leuten das Feldkrankenhaus, das wir betrieben
00:08:22.000 --> 00:08:28.000
haben, weitergewuppt. Diese Privilegien bestehen immer und es ist immer wichtig, das zu
00:08:28.000 --> 00:08:35.000
reflektieren. Eine weitere Herausforderung ist, dass Hilfe, auch wenn sie gut gemeint ist,
00:08:35.000 --> 00:08:40.000
Schaden anrichten kann, wenn sie nicht gut geplant und nicht gut durchgeführt ist. Das
00:08:40.000 --> 00:08:44.000
kommt leider immer wieder vor oder ist in der Geschichte der humanitären Hilfe immer
00:08:44.000 --> 00:08:50.000
wieder vorgekommen, dass Organisationen sich denken, naja, das überschreitet hier so ein
00:08:50.000 --> 00:08:54.000
bisschen unsere Kompetenzen, unsere eigentliche Ausbildung, aber es hilft ja sonst niemand
00:08:54.000 --> 00:08:59.000
besser als nichts. Na, besser als nichts ist manchmal ziemlich schlimm. Also da können
00:08:59.000 --> 00:09:04.000
dann wirklich medizinische Fehler passieren. Man kann eine zusätzliche Bürde sein für
00:09:04.000 --> 00:09:10.000
die Region, in der man eigentlich helfen will, indem man sich selber nicht genug, weiß nicht,
00:09:10.000 --> 00:09:17.000
Essen oder so mitgebracht hat. Also viele Herausforderungen in der humanitären Hilfe.
00:09:17.000 --> 00:09:23.000
Und natürlich gibt es da alle möglichen Prozesse und Regeln, die das auffangen wollen.
00:09:23.000 --> 00:09:30.000
Einer dieser Regelwerke sind die humanitären Prinzipien, über die ich jetzt was erzählen
00:09:30.000 --> 00:09:39.000
werde. Ich habe die hier einfach mal aufgelistet, die im Moment so sehr gängig sind. Das ist
00:09:39.000 --> 00:09:44.000
je nachdem, welche Organisation oder welches Umfeld. Man fragt jetzt mal mehr, mal weniger,
00:09:44.000 --> 00:09:50.000
aber die fünf, das sind so die wichtigsten. Ich habe die auf Englisch und auf Deutsch
00:09:50.000 --> 00:09:54.000
aufgeschrieben, weil auch im deutschen Kontext häufig die englischen Begriffe letztendlich
00:09:54.000 --> 00:09:57.000
fallen. Ich bitte auch zu entschuldigen, wenn ich irgendwann so ein bisschen ins Denglisch
00:09:57.000 --> 00:10:06.000
rutsche. Die Prinzipien sind Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit
00:10:06.000 --> 00:10:13.000
und Rechenschaftspflicht gegenüber Betroffenen. Die sind nicht alle gleich all. Die sind so
00:10:13.000 --> 00:10:17.000
im Laufe der Zeit entstanden. Die ersten, vor allen Dingen die ersten zwei Prinzipien,
00:10:17.000 --> 00:10:22.000
die sind entstanden aus der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Das waren ursprünglich
00:10:22.000 --> 00:10:30.000
deren Grundsätze, die dann auch andere Organisationen angenommen haben. Das wurde dann irgendwann
00:10:30.000 --> 00:10:37.000
kombiniert mit international humanitarian law, also international humanitären Recht. Da
00:10:37.000 --> 00:10:42.000
gehe ich auch nochmal später darauf ein, was das genau besagt oder was da relevant ist
00:10:42.000 --> 00:10:51.000
für diesen Kontext. Und diesen Prinzipien haben sich viele Organisationen verpflichtet.
00:10:51.000 --> 00:10:57.000
CASUS zum Beispiel hat einerseits vom internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung den Code
00:10:57.000 --> 00:11:01.000
of Conduct unterschrieben. Wir haben aber auch unseren eigenen Code of Conduct, in dem
00:11:01.000 --> 00:11:07.000
wir nochmal auf diese Prinzipien eingehen. Und in der humanitären Hilfe wird das sowohl
00:11:07.000 --> 00:11:10.000
von den Organisationen eigentlich erwartet, dass sie sich daran halten, als auch es es
00:11:10.000 --> 00:11:18.000
manchmal Voraussetzungen, um auch von Geldgebern Geld für Einsätze zu bekommen. Gleichzeitig
00:11:18.000 --> 00:11:24.000
ist es kein Gesetzesbruch oder so. Man kann da schlecht dann wirklich rechtlich belangt
00:11:24.000 --> 00:11:30.000
werden, wenn man sich da nicht dran hält. Aber es ist einem trotzdem ein sehr wichtiger
00:11:30.000 --> 00:11:37.000
Regelsatz. Die Prinzipien, die haben die alle so ganz die gleiche Funktion. Die ersten
00:11:37.000 --> 00:11:45.000
zwei, Menschlichkeit und Unparteiligkeit, das sind eher so die ethisch-moralischen Richtlinien,
00:11:45.000 --> 00:11:51.000
die einfach besagen, Menschen muss geholfen werden, die not sind. Und Neutralität und
00:11:51.000 --> 00:11:57.000
Unabhängigkeit sind dann eher so die Werkzeuge, um dahin zu gelangen zu den Zielen, dass man
00:11:57.000 --> 00:12:03.000
Menschen in Not helfen kann. Und das dritte, die Rechenschaftspflicht ist so das neueste
00:12:03.000 --> 00:12:12.000
Prinzip und das ist eher ein, willst du als allgemeines Prinzip bezeichnen. Dann gehe
00:12:12.000 --> 00:12:18.000
ich mal Schritt für Schritt durch die Prinzipien durch. Das erste ist die Menschlichkeit und
00:12:18.000 --> 00:12:24.000
das besagt ganz einfach, dass Menschen in Not unterstützt werden müssen. Genauer gesagt,
00:12:24.000 --> 00:12:29.000
menschliches Leid lindern, wo immer möglich, mit besonderer Aufmerksamkeit für die am
00:12:29.000 --> 00:12:35.000
stärksten Betroffenen. Das Ziel humanitärer Tätigkeit ist, Leben und Gesundheit zu schützen
00:12:35.000 --> 00:12:42.000
und Respekt gegenüber Menschen sicherzustellen. Das ist ein ziemlich großes Ziel, da müssen
00:12:42.000 --> 00:12:49.000
einzelne Organisationen dann natürlich auch auf ihre Möglichkeiten achten. Also KADUS kann
00:12:49.000 --> 00:12:55.000
nicht überall da sein, wo Menschen am stärksten betroffen sind natürlich. Wir haben zum Beispiel
00:12:55.000 --> 00:13:01.000
mal versucht in den Jemen zu gehen, aber das war einfach so komplex da, so schwierig da
00:13:01.000 --> 00:13:07.000
reinzukommen, das haben wir nicht geschafft. Wir schauen aber natürlich, wo sind die Lücken,
00:13:07.000 --> 00:13:13.000
wo können wir mit unseren speziellen Fähigkeiten als KADUS besonders gut unterstützen. Und da
00:13:13.000 --> 00:13:19.000
habe ich ein erstes Bild mitgebracht, das ist unsere erste Ambulanz, die wir in der Ukraine
00:13:19.000 --> 00:13:25.000
hatten für die medizinischen Evakuierungen. Das ist eine der Sachen, die KADUS dort macht,
00:13:25.000 --> 00:13:32.000
Medical Evacuations. Allerdings nicht alles, was gefahren werden muss, fahren wir, sondern wir
00:13:32.000 --> 00:13:39.000
gucken dann halt, dass wir wirklich die Lücken schließen, die da sind, wenn es besonders um
00:13:39.000 --> 00:13:45.000
Intensive Care Unit Transports geht, also wo man spezielles medizinisches Equipment und
00:13:45.000 --> 00:13:51.000
sehr gut ausgebildete Medics dafür braucht, diese Art von Transporte machen wir zum Beispiel.
00:13:51.000 --> 00:14:01.000
Aber es geht bei dem Prinzip nicht nur darum direkt zu helfen, denn es geht vor allem darum,
00:14:01.000 --> 00:14:07.000
auch dass Menschen sich selber helfen können und darum fokussiert KADUS auch viel auf Trainings.
00:14:07.000 --> 00:14:13.000
Also wir haben sowohl in Nordostsyrien als auch jetzt aktuell in der Ukraine immer viel
00:14:13.000 --> 00:14:18.000
Trainings gegeben, denn das muss man auf dem Schirm haben, dass in den meisten Notsituationen,
00:14:18.000 --> 00:14:25.000
gerade bei kurzfristigen Katastrophen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass da von außen so eine
00:14:25.000 --> 00:14:30.000
internationale Hilfsorganisation plötzlich auf der Matte steht und hilft. Das sind meistens wirklich
00:14:30.000 --> 00:14:37.000
die Menschen, die auch mit betroffen sind, die dann die Ersthelfer sind. Deswegen machen wir viel
00:14:37.000 --> 00:14:45.000
Ausbildung für Ersthelfer*innen, aber auch speziellere medizinische Themen, da machen wir
00:14:45.000 --> 00:14:51.000
Training dazu für Menschen, die schon medizinische Ausbildung haben, die dann noch Spezialwissen dazu
00:14:51.000 --> 00:14:57.000
bekommen. Und auch da geht es natürlich wieder darum, wie schon am Anfang erwähnt, dass man sich
00:14:57.000 --> 00:15:04.000
letztendlich überflüssig macht als Organisation und wirklich nur die Lücken deckt, die gerade da
00:15:04.000 --> 00:15:16.000
sind und sich dann auch wieder zurückzieht. Das zweite Prinzip, die Unparteilichkeit, das ist
00:15:16.000 --> 00:15:23.000
sozusagen das Nichtdiskriminierungsprinzip. Das besagt, humanitäre Hilfe richtet sich allein nach
00:15:23.000 --> 00:15:28.000
dem Bedarf mit Priorität für die dringendsten Fälle. Die Hilfe darf Menschen nicht hinsichtlich
00:15:28.000 --> 00:15:35.000
Nationalität, Alter, Gender, Religion etc. diskriminieren. Das klingt ja erst mal so, als könnte man das
00:15:35.000 --> 00:15:44.000
relativ einfach unterschreiben. Diskriminieren möchte glaube ich niemand absichtlich. Das ist aber in
00:15:44.000 --> 00:15:50.000
der humanitären Hilfe auch dann manchmal gar nicht so einfach, das zumindest nach außen zu
00:15:50.000 --> 00:15:58.000
vermitteln. Da habe ich ein Beispiel mitgebracht. Da geht es beide Male um das Thema des sogenannten
00:15:58.000 --> 00:16:06.000
islamischen Staates. Da war Kadus einmal im Einsatz 2017 im Mosul. Da haben wir einen Trauma
00:16:06.000 --> 00:16:12.000
Stabilization Point gehabt. Das heißt, wir haben Menschen, die gerade aus dem vom IS befreiten Mosul
00:16:12.000 --> 00:16:19.000
Stück für Stück herausgekommen sind, so weit stabilisiert, dass sie den Transport in weiteres
00:16:19.000 --> 00:16:26.000
Krankenhaus überstanden haben. Dafür haben wir in der Medien, in der Öffentlichkeit ziemlich viel
00:16:26.000 --> 00:16:35.000
Zuspruch bekommen und auch viele Follower und Social Media gewonnen. Dann kam das Krankenhaus in
00:16:35.000 --> 00:16:43.000
Al-Hol. Das Camp Al-Hol, das gibt es schon lange, aber das ist letztendlich sehr doll angewachsen
00:16:43.000 --> 00:16:55.000
2019, nachdem in Nord-Aussyrien der IS aus Strat zurückgedrängt wurde. Die Menschen sind in dieses
00:16:55.000 --> 00:17:03.000
Camp gekommen, teilweise gebracht worden, teilweise gegangen. Da gibt es immer wieder den Vorwurf,
00:17:03.000 --> 00:17:08.000
dass ein Teil der Menschen dort eventuell noch dem IS anhängt. Es gibt viele Konflikte innerhalb
00:17:08.000 --> 00:17:15.000
dieses Camps. Das ist wirklich ein ziemlich rarter Ort. Wir wurden gefragt, ob wir da medizinische
00:17:15.000 --> 00:17:23.000
Versorgung machen können. Wir haben dieses Feldkrankenhaus aufgebaut und haben für uns
00:17:23.000 --> 00:17:29.000
zunächst relativ überraschend auf Social Media und anderen Kanälen Kritik dafür geerntet.
00:17:29.000 --> 00:17:39.000
Dann hieß es, was helft ihr jetzt plötzlich da? Ihr wart doch hier in der Anti-IS-Mass-Response dabei.
00:17:39.000 --> 00:17:44.000
Da haben wir dann aber ganz klar gesagt, weil das unser Job ist, das ist humanitäre Hilfe. Man hilft
00:17:44.000 --> 00:17:52.000
allen Menschen, die Hilfe benötigen. Da geht es nicht darum zu fragen, wer hat was getan, solange
00:17:52.000 --> 00:17:59.000
die Leute keine aktiven Kämpfe mehr sind. Das nennt sich dann Non-Combatants. Solange sie Non-Combatants
00:17:59.000 --> 00:18:09.000
sind, dann wird denen auch geholfen. Was wir damit geschaffen haben im Al-Hol, in diesem wirklich von
00:18:09.000 --> 00:18:14.000
Anspannungen und Konflikten sehr stark heimgesuchten Camp, ist tatsächlich ein Ort der
00:18:14.000 --> 00:18:20.000
Menschlichkeit geschaffen, wo das eben keine Rolle spielt, was Menschen für eine politische
00:18:20.000 --> 00:18:27.000
Assoziierung haben oder eine Religion. Wir haben da von den Menschen vor Ort auch immer wieder sehr
00:18:27.000 --> 00:18:33.000
viel positives Feedback dafür bekommen, eben diesen Ort geschaffen zu haben, wo sie dann einfach nur
00:18:33.000 --> 00:18:38.000
Menschen sind, die Unterstützung brauchen. Aber es ist manchmal nicht so einfach zu vermitteln,
00:18:38.000 --> 00:18:47.000
auch wenn sich so ein Nicht-Diskriminierungsprinzip im ersten Moment recht einfach und eindeutig anhört.
00:18:47.000 --> 00:19:01.000
Dann kommen wir jetzt mal zu den eher Werkzeugprinzipien. Das erste ist die Neutralität. Die gibt eine
00:19:01.000 --> 00:19:07.000
Nichteinmischung in Konflikte vor und besagt, humanitäre Akteure dürfen in Konflikten nicht
00:19:07.000 --> 00:19:14.000
parteiergreifend für eine Seite. Sie sollen von Konfliktparteien als neutral wahrgenommen werden,
00:19:14.000 --> 00:19:21.000
Zugang zu erlangen und die Sicherheit der Hilfenden zu gewährleisten. Dieses Prinzip ist sehr eng
00:19:21.000 --> 00:19:30.000
verknüpft mit international humanitarian law. Das besagt, dass Menschen auch in Kriegen und Konflikten
00:19:30.000 --> 00:19:36.000
die Hilfe brauchen, die also verletzt sind, die nicht mehr kämpfen können, dass die Hilfe bekommen
00:19:36.000 --> 00:19:41.000
müssen. Das muss entweder durch die Kriegsparteien direkt sichergestellt werden oder wenn sie das
00:19:41.000 --> 00:19:47.000
nicht können, dann sind sie verpflichtet humanitäre Organisationen, die neutral sind und die sich nicht
00:19:47.000 --> 00:19:54.000
auf eine Seite des Konfliktes stellen, durchzulassen. Diese Neutralität hat also wirklich diese
00:19:54.000 --> 00:20:03.000
praktische Bewandtnis, dass man in einem Kriegs- und Konfliktszenario durchgelassen wird. Ich habe
00:20:03.000 --> 00:20:14.000
dazu ein Bild mitgebracht aus der Ukraine, das ist unser Mobile Intensive Care Unit, ein umgebauter Bus,
00:20:14.000 --> 00:20:22.000
sondern an einer Intensivstation umgebaut. Da sieht man im Vordergrund, dass da jetzt jemand mit
00:20:22.000 --> 00:20:31.000
Hanfleck sitzt. Für diese Bilder hat es auch ein bisschen zumindest "raised eyebrows" gegeben.
00:20:31.000 --> 00:20:39.000
Wo ist denn jetzt diese Unterscheidung zwischen militärisch und nicht militärisch? Ist das noch neutral?
00:20:39.000 --> 00:20:45.000
Da kann man aber ganz klar sagen, ja das ist neutral, weil diese Menschen non-combatant sind. Das sind
00:20:45.000 --> 00:20:52.000
einfach Menschen, die in dem Moment Hilfe brauchen. In dem Moment ist diese Neutralitätsprinzip
00:20:52.000 --> 00:20:57.000
eigentlich auch eine Richtlinie, in der man sagen kann, das ist auch okay, wir können diesen Menschen
00:20:57.000 --> 00:21:04.000
im Moment helfen, ohne da unsere humanitären Prinzipien zu verraten. Auf der anderen Seite gibt es
00:21:04.000 --> 00:21:10.000
in der Ukraine ziemlich viele Fälle, wo das halt sehr verschwimmt. Es gibt andere NGOs, die zunehmend
00:21:10.000 --> 00:21:16.000
selber Hanfleck tragen, die sich schwarze Nummernschilder googelt haben. Das sind Militärnummernschilder,
00:21:16.000 --> 00:21:23.000
die da sehr eng mit dem Militär zusammenarbeiten und wo diese Neutralität eben gerade nicht mehr
00:21:23.000 --> 00:21:30.000
gewährleistet ist. Und das kann dann letztendlich zum Problem werden, wenn es um Zugang für rein
00:21:30.000 --> 00:21:39.000
humanitäre Organisationen geht. Das internationale humanitäre Recht sagt weiterhin, dass humanitäre
00:21:39.000 --> 00:21:49.000
Hilfeleistende nicht angegriffen werden dürfen. Das ist in der Ukraine ein doppelt schwieriges Thema,
00:21:49.000 --> 00:21:56.000
weil es auch für die russische Seite ziemlich schwierig ist manchmal sehen zu können, wer ist denn jetzt
00:21:56.000 --> 00:22:03.000
humanitär, wer nicht, weil das ukrainische Militär hat auch Ambulanzen gespendet bekommen und die haben
00:22:03.000 --> 00:22:08.000
die nicht kenntlich gemacht. Also da fahren Ambulanzen rum, wo nicht ganz klar ist, ist das jetzt
00:22:08.000 --> 00:22:17.000
humanitäre Hilfe oder gehört es vielleicht doch zum Militär. Und dann gibt es auch halt so Fälle,
00:22:17.000 --> 00:22:24.000
wo Russland wirklich ganz gezielt Helfende angreift, das eine Beispiel hatte ich ja eben schon gesagt,
00:22:24.000 --> 00:22:29.000
Pukrovsk, wo das Hotel angegriffen wurde und dann später nochmal drauf geschossen wurde, als die
00:22:29.000 --> 00:22:37.000
Helfenden vor Ort sind. Also es kommen schon auch gezielte Angriffe auf Hilfskräfte vor durch die
00:22:37.000 --> 00:22:43.000
russische Armee. Allerdings muss man da auch sagen, wir wissen halt nicht, wie oft dann eben nicht
00:22:43.000 --> 00:22:49.000
geschossen wurde, weil es wirklich eindeutig medizinisch gekennzeichnendes Fahrzeug war oder weil es
00:22:49.000 --> 00:22:54.000
ein eindeutig gekennzeichnendes Krankenhaus oder Versorgungsstation war. Also das wissen wir nicht
00:22:54.000 --> 00:23:02.000
und ich denke, das lohnt sich auf jeden Fall, sich trotzdem an dieses Prinzip zu halten, um zu versuchen,
00:23:02.000 --> 00:23:16.000
diese Möglichkeit ganz auszuschöpfen. So, ein weiteres Prinzip. Jetzt sind wir bei der Unabhängigkeit.
00:23:16.000 --> 00:23:24.000
Da geht es darum, dass die Hilfe eben keinen anderen Zweck haben soll als die Nothilfe für Menschen
00:23:24.000 --> 00:23:30.000
in Not. Es besagt, es muss eine klare Trennung geben zwischen humanitären Zielen und militärischen,
00:23:30.000 --> 00:23:36.000
politischen und wirtschaftlichen Zielen. Humanitäre Hilfe soll ausschließlich dem Zweck dienen, Leben zu
00:23:36.000 --> 00:23:45.000
retten und Leiden zu lindern. Da habe ich ein Bild mitgebracht aus unserem dann letztendlich doch noch
00:23:45.000 --> 00:23:53.000
stattgefundenen Einsatz auf Lesbos und zwar in dem Camp Karatepe 2. Das war zu dem Zeitpunkt, als das Camp
00:23:53.000 --> 00:24:02.000
Moria abgebrannt war. Die Menschen waren erst auf der Straße und haben versucht, den Leuten vor Ort zu
00:24:02.000 --> 00:24:08.000
helfen. Kadus wollte da auch gerne in den Einsatz gehen und helfen, hat mehrfach angeboten, über den
00:24:08.000 --> 00:24:14.000
EMT-WHO-Mechanismus als Emergency Medical Team für die WHO dort in Einsatz zu gehen. Griechenland hat das
00:24:14.000 --> 00:24:20.000
immer wieder abgelehnt. Und dann kam aber plötzlich irgendwann die Zusage, dann hat die WHO uns gesagt,
00:24:20.000 --> 00:24:26.000
okay, Kadus, ihr könnt jetzt in den Einsatz gehen. Da war aber schon die Situation so, dass dieses neue
00:24:26.000 --> 00:24:32.000
Camp entstanden war und wir gehört haben, dass ganz viele Menschen nicht in dieses Camp wollten, dass sie
00:24:32.000 --> 00:24:37.000
wohl gezwungen wurden, da reinzugeben, dass sie eigentlich natürlich viel lieber weiterreisen wollten oder
00:24:37.000 --> 00:24:46.000
zumindest sich besser unterbringen wollten auf Lesbos. Und da haben wir mal kurz überlegt, das also
00:24:46.000 --> 00:24:52.000
auch öffentlichkeitswirksam abzusagen, mit einem politischen Statement zu sagen, nee, geht nichts, machen wir
00:24:52.000 --> 00:24:58.000
nicht, da werden zu viele Menschenrechte verletzt. Wir haben es dann aber dagegen entschieden, diese Absage zu
00:24:58.000 --> 00:25:05.000
machen, weil wir dann tatsächlich nicht geholfen hätten aus einem allein politischen Grund. Wir haben gesagt,
00:25:05.000 --> 00:25:13.000
okay, wir gehen dann in den Einsatz und werden da medizinische Versorgung machen, aber wir halten auf jeden
00:25:13.000 --> 00:25:20.000
Fall die Augen offen und werden dann versuchen, die humanitären Ziele auch durch Advocacy umzusetzen, also
00:25:20.000 --> 00:25:27.000
durch das Einsetzen für die Belange der Menschen vor Ort in diesen Camp. Und wir haben dann einfach angefangen,
00:25:27.000 --> 00:25:33.000
unsere medizinischen Reports dahin durchzugucken und aufzuschreiben, okay, wie viele Menschen sind denn
00:25:33.000 --> 00:25:40.000
eigentlich lang bei uns in der Klinik, weil das Camp sie krank gemacht hat, welche Erkrankungen und welche
00:25:40.000 --> 00:25:47.000
Verletzungen können direkt auf dieses Camp und auf die schrecklichen Verhältnisse in dem Camp zurückgeführt
00:25:47.000 --> 00:25:55.000
werden. Das waren eine ganze Menge und das haben wir auch veröffentlicht und haben dann halt auf diesem Wege
00:25:55.000 --> 00:26:01.000
auch in gewisser Weise eine politische Arbeit gemacht, obwohl unsere humanitäre Hilfe, die wir dort geleistet
00:26:01.000 --> 00:26:10.000
haben, erstmal keinen direkten politischen Zweck hatte, sondern erstmal Hilfe leisten, aber wir haben dann
00:26:10.000 --> 00:26:18.000
halt in der Berichterstattung darauf hingewiesen, was die Verhältnisse sind und ich würde mal sagen, es ist
00:26:18.000 --> 00:26:25.000
halt auch relativ schwierig, dann noch dagegen zu argumentieren und zu sagen, nee, das kann man ruhig
00:26:25.000 --> 00:26:31.000
ignorieren, dass da Menschen einfach krank gemacht werden durch dieses Camp und dass der Menschenrechte
00:26:31.000 --> 00:26:37.000
verletzt werden. Also es bietet letztendlich die praktische Arbeit und die Berichterstattung einfach über das,
00:26:37.000 --> 00:26:45.000
was man tut, manchmal eine gute Ausbankbasis, um dann da auch auf anderen Ebenen was zu bewirken.
00:26:49.000 --> 00:26:55.000
Bei der Unabhängigkeit gibt es noch einen anderen Punkt, da müssen Organisationen dann jeweils auf sich selber
00:26:55.000 --> 00:27:00.000
auch achten, was sie denn tun, denn Unabhängigkeit bedeutet auch, dass man, obwohl man natürlich immer auf
00:27:00.000 --> 00:27:06.000
Gelder von Geldgebern angewiesen ist, dass man sich dann nicht von denen sozusagen von Karnsperren
00:27:06.000 --> 00:27:12.000
entspannen lässt und das macht, was die gerne sehen würden, sondern man muss immer auf die Bedarfe vor Ort
00:27:12.000 --> 00:27:19.000
schauen, man muss auch immer schauen, dass man sich namentlich von den Geldgebern nicht so vereinnahmen lässt.
00:27:19.000 --> 00:27:26.000
Das war auf Lesbos teilweise auch nicht so einfach, weil wir durch diesen WHO-Mechanismus kamen, der Einsatz
00:27:26.000 --> 00:27:33.000
wurde zum Teil zumindest vom Auswärtigen Amt finanziert und dann waren wir ganz plötzlich so die German NGO
00:27:33.000 --> 00:27:38.000
oder das German AMT. Das wollten wir aber nicht sagen, wir sind halt Karnsperren und ich habe mich dann
00:27:38.000 --> 00:27:43.000
natürlich on the ground live mit der WHO gestritten, ob wir jetzt einen Karsus-Banner oder einen German
00:27:43.000 --> 00:27:50.000
humanitarian assistance-Banner aufhängen. Also ja, da kann man sich dann sehr um Details streiten, aber auch da
00:27:50.000 --> 00:27:58.000
gilt es, dass Organisationen darauf achten müssen, dass sie eben unabhängig agieren und auch einen
00:27:58.000 --> 00:28:05.000
unabhängigen Eindruck machen. Das letzte, das ich hier vorstelle, Rechenschaftspflicht gegenüber
00:28:05.000 --> 00:28:12.000
Betroffenen. Da muss man sich einfach die Frage stellen, für wen tue ich das eigentlich mit oder
00:28:12.000 --> 00:28:20.000
wem stelle ich das da. Alle humanitären Akteure sind in erster Linie denen von einer Krise betroffene
00:28:20.000 --> 00:28:25.000
Menschen gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Die Betroffenen sollen in alle Schritte der humanitären
00:28:25.000 --> 00:28:31.000
Hilfeplanung mit eingebunden werden. Es muss eine offene und klare Kommunikation geben, Feedback und
00:28:31.000 --> 00:28:38.000
Beschwerdemechanismen müssen eingerichtet werden. Das Bild, was ich dazu mitgebracht habe, das ist aus
00:28:38.000 --> 00:28:46.000
dem Jahr 2019 auch wiederum aus dem Angriff von der Türkei auf Nord-Ostsyrien. Da haben wir, und das
00:28:46.000 --> 00:28:51.000
haben wir auch in anderen Kontexten, aber auch da haben wir dann viel mit dem kurdischen Roten Halbmund
00:28:51.000 --> 00:29:00.000
vor Ort zusammengearbeitet und haben da Ambulanzen gestellt, die sie dann betrieben haben. Also das ist
00:29:00.000 --> 00:29:06.000
eine der Wege, die KADUS versucht, diese Rechenschaftspflicht, dieses Prinzip sich daran zu
00:29:06.000 --> 00:29:13.000
halten, indem wir sehr viel vor Ort immer kooperieren mit den Menschen. Das klappt natürlich nicht immer.
00:29:13.000 --> 00:29:18.000
Also im Fall von Mosul, wenn wir Leute notdürftig zusammenflicken, die gerade dem IS entkommen sind,
00:29:18.000 --> 00:29:23.000
dann ist das ein bisschen schwierig mit der Kooperation. Aber überall wo es geht, versuchen wir das
00:29:23.000 --> 00:29:30.000
und wir versuchen da auch wirklich langfristig Partnerschaften aufzubauen. Und auch in der Ukraine ist das
00:29:30.000 --> 00:29:36.000
natürlich so, dass wir da mit den lokalen Emergency Medical Services zusammenarbeiten und das mit denen
00:29:36.000 --> 00:29:43.000
eng koordinieren, wo wir denn am besten eingesetzt werden. Kooperation ist das eine, das andere ist die
00:29:43.000 --> 00:29:49.000
Öffentlichkeitsarbeit. Da ist es wichtig, sich immer mal zu fragen, ok, welches Publikum stelle ich mir
00:29:49.000 --> 00:29:54.000
da eigentlich gerade vor? Mit wem spreche ich hier eigentlich, wenn ich Öffentlichkeitsarbeit mache?
00:29:54.000 --> 00:29:59.000
Denke ich da an meine Social Media Follower und möchte möglichst viele Likes bekommen oder stelle ich mir
00:29:59.000 --> 00:30:05.000
vielleicht mal die Frage, wie möchten die Betroffenen, die ich versuche in Notsituationen zu unterstützen,
00:30:05.000 --> 00:30:11.000
wie möchten die eigentlich dargestellt werden? Das ist sehr wichtig. Man kann da auch nicht immer direkt
00:30:11.000 --> 00:30:18.000
nachfragen. Das gibt die Situation manchmal nicht her, aber man sollte sich zumindest immer wieder
00:30:18.000 --> 00:30:25.000
selber die Frage stellen, wem gegenüber lege ich dann eigentlich Rechenschaft ab? Und natürlich muss man,
00:30:25.000 --> 00:30:32.000
wenn man Gelder annimmt von Geldgebern, auch immer sich an deren Vorgaben halten. In gewisser Weise muss
00:30:32.000 --> 00:30:38.000
die Abrechnung stimmen, aber man darf sich halt nicht durch die Geldgeber dahingehend beeinflussen lassen,
00:30:38.000 --> 00:30:44.000
dass man vielleicht an tatsächlichen Bedarfen vor Ort vorbei arbeitet, nur weil es dann in den Medien
00:30:44.000 --> 00:30:50.000
eventuell besser aussieht oder weil der Geldgeber dann eben mehr happy ist.
00:30:50.000 --> 00:30:59.000
Ja, damit bin ich dann auch schon beim Fazit. Nochmal ein paar Punkte zusammengefasst, was ich so wichtig finde
00:30:59.000 --> 00:31:05.000
an den Humanitärenprinzipien. Die schützen sowohl die von Krisen Betroffenen als auch die Helfenden.
00:31:05.000 --> 00:31:12.000
Sie können eine Navigationshilfe sein im komplexen Feld der Emergency Response. Sie bieten eine wertvolle
00:31:12.000 --> 00:31:18.000
Basis für die Verteidigung von Menschenrechten und ein respektvolles Miteinander. Und humanitäre Akteure
00:31:18.000 --> 00:31:25.000
können die nutzen, um rote Linien zu ziehen und diese zu verteidigen, also sich nicht vereinnahmen zu lassen
00:31:25.000 --> 00:31:33.000
für die Ziele anderer. Ja, und das war es auch schon mit meinem Vortrag. Wir sind hier beim Camp,
00:31:33.000 --> 00:31:38.000
Besuchkard ist gerne da vorne und kommt ins Gespräch, aber ihr könnt jetzt hier natürlich auch noch
00:31:38.000 --> 00:31:42.000
Fragen stellen. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.
00:31:42.000 --> 00:31:57.000
Herzlichen Dank für den Talk. Jetzt haben wir noch 10 Minuten für Fragen oder 15 Minuten sogar.
00:31:57.000 --> 00:32:02.000
Ich sehe da schon zwei. Bitte wirklich Fragen für längere Gespräche und so habt ihr gehört, wo ihr
00:32:02.000 --> 00:32:09.000
Kadus findet. Ich würde jetzt das Mikro rumgeben, es sei denn vom, wir haben noch einen, okay, wir sind
00:32:09.000 --> 00:32:17.000
sogar zu zweit. Das Mikro kommt zu euch hier einmal. Genau. Cool, danke. Wenn ihr lokale Hilfskräfte
00:32:17.000 --> 00:32:23.000
einsetzt, also längerfristig, bezahlt ihr ihnen Gehalt? Kriegen die Geld von euch?
00:32:23.000 --> 00:32:31.000
In der Regel ja. Vor allen Dingen, das machen wir eigentlich erst bei längerfristigen Einsätzen
00:32:31.000 --> 00:32:37.000
und die Vereinsätze finden dann meistens in Regionen statt, wo die Menschen sich das nicht leisten
00:32:37.000 --> 00:32:43.000
können, ehrenamtlich mal eben Urlaub zu nehmen und dann drei Wochen im Einsatz zu arbeiten, sondern
00:32:43.000 --> 00:32:51.000
die werden in der Regel bezahlt. Du hattest im Vortrag erwähnt, dass Rettungswagen beschossen werden,
00:32:51.000 --> 00:32:58.000
wenn sie irgendwie mit dem ukrainischen Militär in Verbindung gebracht werden. Ist das in irgendeiner
00:32:58.000 --> 00:33:04.000
Art und Weise in den Kriegs- und Krisengebieten, in denen ihr unterwegs seid, überhaupt noch so, dass
00:33:04.000 --> 00:33:11.000
die Sanitätskräfte der Parteien, die ja eigentlich auch nicht beschossen werden dürften, so wie zivile
00:33:11.000 --> 00:33:17.000
Hilfsorganisationen, dass da noch Rücksicht drauf genommen wird oder ist das jetzt so eine Brutalität des
00:33:17.000 --> 00:33:26.000
Ukraine-Krieges, dass selbst Sanitäter beschossen werden? Also genaue Zahlen habe ich dazu nicht, aber
00:33:26.000 --> 00:33:32.000
wie bereits vorher erwähnt, wir wissen halt nicht, wie oft nicht geschossen wurde. Also es werden ja
00:33:32.000 --> 00:33:40.000
nicht alle Ambulanzen beschossen. Es gibt da Fälle, die die UN auch monitort, wo das vorgekommen ist.
00:33:40.000 --> 00:33:49.000
Allerdings wissen wir einfach nicht, wie oft so ein Spotter, der halt schaut, was beschieße ich, sich
00:33:49.000 --> 00:33:54.000
dann dagegen entscheidet. Also das sind ja, das sind halt auch zwei verschiedene Sachen. Das ist ja einerseits
00:33:54.000 --> 00:33:59.000
die Frage, was für eine Strategie fährt an Kriegspartei, andererseits auch die individuellen
00:33:59.000 --> 00:34:04.000
Entscheidungen. Aber lässt sich letztendlich einfach auch nicht genau beantworten.
00:34:04.000 --> 00:34:08.000
Gibt es weitere Fragen?
00:34:08.000 --> 00:34:17.000
Zum Thema Rechenschaftsbericht, magst du dafür nochmal sagen, was das so konkret bedeutet, gerade
00:34:17.000 --> 00:34:24.000
also jetzt vor Ort für die Leute? Also was kriegen die da oder wie kann ich mir das so vorstellen?
00:34:24.000 --> 00:34:33.000
Also die Accountability oder Rechenschaftspflicht vor Ort, also eine Methode, eine ganz einfache
00:34:33.000 --> 00:34:40.000
Methode ist, sich immer, wenn man zum Beispiel ein Krankenhaus aufbaut, an einer Versorgungsstation,
00:34:40.000 --> 00:34:46.000
sich ein Feedback-Mechanismus auszudenken, mit dem Patienten rückmelden können, wenn irgendwas nicht
00:34:46.000 --> 00:34:50.000
stimmt oder irgendwas nicht gut war, das geht am einfachsten oder wird auch regulär gemacht mit
00:34:50.000 --> 00:34:57.000
Ausstellung eines Briefkastens und dann gibt es vom Blätter, die Leute ausfüllen können, meistens
00:34:57.000 --> 00:35:01.000
auch so mit Piktogramm-Erklärungen, was, wofür ist dieser Briefkasten, was könnt ihr damit machen.
00:35:01.000 --> 00:35:08.000
Das ist natürlich, das ist immer so ein bisschen so eine Halbgut-Konfirmung, weil Menschen nicht immer
00:35:08.000 --> 00:35:14.000
schreiben können, nicht immer lesen können. Ja, das ist manchmal noch ein ziemlicher Schwachpunkt,
00:35:14.000 --> 00:35:20.000
also das funktioniert wesentlich besser, wenn man länger in Gebieten ist, zum Beispiel waren wir
00:35:20.000 --> 00:35:26.000
seit 2019 in Alhul und haben es da jetzt gerade erst zurückgezogen und an eine neu gegründete
00:35:26.000 --> 00:35:32.000
lokale Organisation übergeben, aber da waren wir ja sehr lange und da haben wir dann auch ganze
00:35:32.000 --> 00:35:39.000
Evaluationsmeetings gemacht, wo dann Mitarbeitende aus dem Camp und auch ein paar Patientinnen
00:35:39.000 --> 00:35:45.000
eingeladen wurden wirklich zu so einer Fokusrunde und dann nochmal besprochen wurde, wie wirkt das auf
00:35:45.000 --> 00:35:51.000
die Menschen hier, was wir hier machen, wo kann man noch verbessern und so, aber das geht natürlich nur,
00:35:51.000 --> 00:35:56.000
wenn man ein bisschen langfristiger vor Ort ist und es ist auch letztendlich nicht das, was KADUS
00:35:56.000 --> 00:36:03.000
regulär macht, also wir sind letztendlich schon eine Nothilfe-Organisation, die kurzfristig helfen will
00:36:03.000 --> 00:36:09.000
und sich auch schnell wieder zurückziehen will. Das mit dem Zurückziehen geht natürlich immer wieder schief,
00:36:09.000 --> 00:36:13.000
wenn diese Krisen wahnsinnig lange dauern, wie das jetzt sich auch im Ukrainekrieg wieder abzeichnet.
00:36:13.000 --> 00:36:25.000
Du meintest ja gerade, dass diese Prinzipien auch als rote Linie fungieren und ich wollte fragen,
00:36:25.000 --> 00:36:30.000
wie das aussieht bei Investoren, ob das häufig hilft zu sagen, ne, das sind unsere Prinzipien,
00:36:30.000 --> 00:36:34.000
das funktioniert nicht, wir können diese Sache, die sie von uns erwarten, nicht tun. Gibt es da Probleme,